– Er –
Dass ich sie küssen würde, war mir in dem Moment klar, in dem ich mich entschieden hatte, Silvester mit ihr zu feiern. Dass es gerade dieser kitschigste Moment sein würde, hatte ich im Grunde auch so erwartet. Was mich allerdings überrascht hat, waren die Gefühle, die über mir hereinbrachen. Ich will nicht unbedingt sagen, dass ich sie liebe, weil ich das mit nüchternem Kopf vermutlich nicht denken würde, aber ich… In diesem Moment mit ihr, in diesen Augenblicken, da war niemand wichtiger als sie.
Und ehrlich gesagt, ist das jetzt, hier im Zug, auch niemand. Ich will nicht wissen, wohin uns das alles führt, weil es uninteressant ist. Sie und ich sind Menschen fürs Jetzt. Wieder gebe ich ihr einen Kuss auf ihre Haare.
„Bist du wach?“ flüstere ich.
„Würde meine Hand sonst mit deiner unter deinem Sweatshirt spielen?“
Ich muss gestehen, dass ich das gar nicht registriert hatte: „Und wieso schläfst du nicht?“
„Wenn du gewollt hättest, dass ich schlafe, hättest du nicht gefragt, ob ich wach bin.“
„Deine Intelligenz hat nicht gelitten.“
„Deine schon, hm?“
„Was erwartest du? Ich bin genauso müde wie du, aber um deinen Beschützer spielen zu können, halte ich mich wach.“
„Musst du nicht.“
„Was? Der Beschützer sein oder mich wach halten?“
„Beides, denke ich, obwohl es gut ist zu wissen, dass ich einen Beschützer habe“, sie lächelt. Ich sehe nicht in ihr Gesicht, aber ich kann es ihrer Stimme anhören.
„Es sind so viele Assis unterwegs…“, erkläre ich.
„Aber was sollten die machen?“
„Dich scheiße anreden.“
„Das können sie auch, wenn du wach bist.“
„Das würden sie aber nicht tun, weil ich ihnen einfach den bösen Blick zuwerfen würde.“
„Oh, den bösen Blick“, sie wendet mir ihr Gesicht zu. Ihre Wimperntusche ist unter den Augen etwas verschmiert und sie sieht ziemlich müde aus. Außerdem haben sich die meisten Haare aus dem Band gelöst, mit dem sie sich vor einigen Stunden einen Zopf gemacht hat. Sie sieht aus, als sei sie gerade aus dem Bett gekommen und ich … ich küsse sie dafür.