Die Unnormalen XIII

 – Er – 

Als wir am Rhein gesessen haben, kurz vor zwölf, habe ich nicht gewusst, was ich ihr sagen sollte. Ich wollte mich nicht anhören, als sei ich einer beschissenen Herzschmerzshow entsprungen. Ich wollte nicht theatralisch klingen, ich wollte… Ich habe mich schon lange nicht mehr so sicher und wohl gefühlt wie mit ihr. All die Probleme, die ich in meinem Leben habe, existieren natürlich auch weiterhin. Ich kann sie niemals ganz von mir weisen und ich werde sie möglicherweise nicht lösen können, aber obwohl sie mich an allen anderen Tagen wie eine zentnerschwere Last zu Boden drücken, obwohl meine Laune dauerhaft gedämpft ist, wirken diese gleichen Problemen in der Zeit, die ich mit ihr alleine verbringe, mit einem Mal leichter. Ich glaube, man nennt das Hoffnung. Wenn sie nicht da ist, dann ist keiner da, der mir Hoffnung gibt. Und das krasse ist, dass sie die nicht mal bewusst gibt. Sie ist einfach nur da und schon habe ich das Gefühl, dass das Leben gut sein kann. Sogar zu mir.

Ich denke an diese Augenblicke vor zwölf Uhr, als sich etwas in mir stark zusammengezogen hat, als ich sie am liebsten die ganze Zeit an mich gedrückt hätte. Ich habe ihr gesagt, dass es ein guter Platz ist, aber im Grunde ist es noch so viel mehr gewesen. Es war ein perfekter Platz. Und als die ersten Raketen losgegangen sind und sie ihren Kopf zu mir hochgewandt hat, da habe ich geflüstert: „Frohes neues Jahr“, und sie hat mich mit diesem Lächeln von ihr angesehen, das mir ein Kribbeln den Rücken runter fahren lässt, wenn ich nur daran denke.

 – Sie –

„Das wünsche ich dir auch. Und ich will, dass es besser wird, als die vergangenen“, habe ich gesagt. Ich weiß, wie schlecht die vorangegangenen Jahre für ihn gewesen sind, weiß von der Pleite seiner Eltern, von der Trennung, von der Krankheit. Ich weiß all das und dass er von sich selbst glaubt, dass er ein ungenügendes Leben hat. Ich muss nicht mit ihm reden, um all das zu wissen und zu fühlen.

Mein Gesicht ist nah vor seinem gewesen und ich konnte in seinen Augen das bunte Feuerwerk sehen. Na ja, manchmal zumindest.

3 Gedanken zu “Die Unnormalen XIII

  1. Aka Teraka

    I really love the way you write.
    Und bei dieser Geschichte ist enorm viel Ruhe in Deinem Schreibstil. Gefällt mir sehr.

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