Überrascht hatte sie ihn, doch sich gleich mit. So, so furchtbar mit. Voller Erwartung hatte sie das Kind in Obhut gegeben, den Zug bestiegen, ein Taxi zu seinem Hotel genommen, sich als seine Frau ausgewiesen und den Blick des Hotelangestellten ignoriert. Sie war dessem weisenden Arm in die Bar gefolgt, hatte ihre Augen kurz an das Schummerlicht gewöhnt, während sich das leise im Hintergrund dudelnde „Do you really want to hurt me“ in ihrem Herzen einbrannte – in genau jener Sekunde, in der sie ihn sah. Ihn und sie. Eine Andere an seiner Seite, die er im Arm hielt und die lachend den Kopf zurückwarf, die so ganz anders war als sie selbst, blond und mollig und frei. Offensichtlich so frei sich den Mann einer anderen zu wählen, obwohl der Ehering an seinem Finger blitzte.
In Filmen hatte sie solche Situationen gesehen und beschlossen, wie sie reagieren würde. Auf keinen Fall würde sie einfach umdrehen und ihn unbehelligt lassen. Aber als ihr Herz sich zusammenzog, als ihre Welt zerbrach, wusste sie nicht mehr, wie sie hatte reagieren wollen, weil sie nie geglaubt hatte, dass sie jemals in diese Situation geraten würde.
Dort hinten, dort stand der Mann, der ihr alles geschworen und dem sie alles geglaubt hatte. Und wenn sie ihm nicht trauen konnte, wenn seine Worte nichts bedeuteten, wessen würden dann etwas bedeuten können? Ein Leben ohne ihn, wie sollte das funktionieren? Zehn Jahre, zehn Jahre lang hatte er sie auf Händen getragen. Oder?, mischte sich ein kleiner Zweifel in ihre zerborstene Liebe. Oder hatte er nicht schon vorher Möglichkeiten wahrgenommen wie diese hier? War es, weil der Sex nach der Geburt der Kleinen weniger geworden, weil sie sowieso keine so sexuelle Person war? Hatte er sich da begonnen, nach schnellen Nummern umzusehen? Und könnte sie ertragen, wenn es nur ebensolche wären?
Nein.
Als müsse sie sich durch Mäusespeck kämpfen, so schien ihr die Mühe, die sie aufwenden musste, um ihre Beine zu mobilisieren, in seine Richtung zu gehen. Langsam, einen Würfel um den anderen zur Seite schiebend tastete sie sich zu ihm vor, bis sie hinter ihnen stand. Sie sah nur ihn an. Die Frau war nicht wichtig, denn nicht sie war es, die sie verletzte. Sie sah ihn an, bis er von wem anders angetippt wurde und sich umwandte zu ihr. Da lächelte sie nur traurig und der unwiderbringliche Verlust des gemeinsamen Lebens lag in diesem Lächeln.
Und sie ging. Verließ ihn und das Hotel und die Stadt. Trug ihre Tasche und ihr Herz. Und ihr Blick fiel auf die Gleise und ihre Gedanken legten sich dorthin. Aber das Bild ihrer Kleinen erschien vor ihrem inneren Auge und führte sie nach Hause. Nach Hause, das kein Zuhause mehr war. In ein Leben, das so anders gewesen war. Gestern erst.
Hat dies auf wolfhilta rebloggt.
Dieses Gefühl wenn sich von jetzt auf gleich das Leben bzw der Lebensplan ändert ist schlimm. Andererseits wird er sich wahrscheinlich rausreden, etc. Dann kommt die wirklich schwierige Zeit, wenn man sich entscheiden muss, ob das Ganze noch Sinn macht oder nicht. Und selbst wenn man die Frage bejaht ist das Vertrauen weg und jede Kleinigkeit kann zum nächsten Problem führen. Egal ob berechtigt oder unberechtigt.
Btw, das neue Layout ist schön.
Ja, er wollte sich für Frau und Kind entscheiden, aber das hat sie nicht mehr zugelassen.
Danke. Ich dachte, es ist Zeit für etwas anderes. (Auch wenn es eher winterlich anmutet…)
Angeblich besagt eine Statistik, dass Betrügende ihre Frauen nicht verlassen, wenn es Kinder gibt. Wenn die Sache auffliegt, dann sind es die Frauen, die den Schlussstrich ziehen. Macht irgendwie Sinn.