In einem Kopf

Nein, das möchte ich nicht mehr. Als wäre das Leben, das ich hatte, auf Stopp gesetzt worden. Seit Monaten. Erst hieß es Osterferien. Wie blauäugig. Hätte nicht einer die Wahrheit sagen können?! Aber vielleicht haben wir die Wahrheit auch einfach nur nicht lesen wollen und unsere Feeds haben sie uns ausgesiebt, nicht angezeigt.

Ich weiß noch, dass ich zum Jahresanfang über die dritte Weltkrieg-Tags grinsen musste, weil ich dachte, wie dumm die alle sind. Dass dann kurze Zeit später was kommt, das ohne Kriegsterror dennoch so sehr in mein Leben eingreift, das mir meinen Vater verbieten ließ, meine Freunde zu sehen … über Wochen, weil mein Bruder ein überkräftiger Diabetiker ist … und ich meine, man wusste ja nicht, wie sehr … Und man weiß eigentlich immer noch nicht nicht. Außer dass das Leben weitergehen muss. Muss es doch? Oder muss es nicht? Wie lange nicht?!

Ich kann doch nicht in dieser Endlosschleife aus Krise hängen? Wer nimmt das denn bald noch ernst? Ich will mein Leben wieder! Will wieder tanzen gehen. Nicht heimlich an irgendwelchen Baggerseen, bis die Polizei anrückt und ich mich wie in schlechten Ami-Teenie-Filmen fühle, wo die Unter-21-Jährigen mit Plastikbechern in der Hand auseinander getrieben werden. Ich bin 19 in Deutschland, verdammt. Da kann ich trinken und tanzen und Spaß haben und knutschen.

Oder eben nicht. Ich könnte kotzen. Kotzen. Sämtliches Verständnis löst sich auf. Gerade erst entdeckt, dass ich auf Jungs wirke, wenn ich auf ne bestimmte Art grinse, die nichts mit dem Fakegrinsen auf den Influencer-Selfies zu tun hat, und nun kann ich es nicht mehr weiter testen?!

Zu viele Ichs hier im Text, würde mein alter Deutschlehrer sagen. Risikogruppe. Starkraucher und über 60. Hoffentlich gibt es den überhaupt noch. Als er uns letztes Jahr ins Leben entließ, was hat er uns dann von den unendlichen Weiten in seiner Abirede erzählt. Welch Bögen hat er uns über die ganze Welt gespannt, welch nun fantastische Gedanken in die Köpfe gepflanzt.

Freiwilliges soziales Jahr seit den Osterferien auf Eis. Studium beginnt im Oktober. Wahrscheinlich. Irgendwie. Wahrscheinlich. Hinter Masken kann ich nicht mal das Grinsen weiter trainieren. Tanzen kann ich auf keiner Studentenparty, von denen mir meine Eltern immer so vorgeschwärmt haben. (Ohne dass der jeweils andere Elternteil was davon mitbekommen durfte, weil sie mit ihrer wilden Zeit vor ihrer Tochter, aber nicht voreinander angeben wollten.) Hauspartys wären zu unvernünftig für uns Soziale Arbeit-Studierende. Wir müssen ja aufpassen, nicht dass wir irgendwelche Einträge wegen Auflehnen gegen die Staatsgewalt bekommen und nachher keinen Job mehr mit Jugendlichen machen können.

Dabei will ich erst mal wieder Jugendliche sein. Aber nein. Scheißpandemie hat entschieden, dass die Jugendzeit gekappt wird. Ich muss mal raus. Luft holen. Es erstickt mich. Dieses Leben so. Es nimmt mir zu viel, was mir wichtig gewesen ist. Bald ist die Zeit der Vernunft vorbei.

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