Schade, Teddy war nicht im Nachtsalon. Aber ehrlich, irgendwann machte das gar nichts mehr: Je älter die Nacht wurde, desto vergnügter wurde ich. Das lag vor allen Dingen an einem dunkelblonden Typen mit Kröllehaaren, der ein Champion T-Shirt trug und mich ansah, als ich mich rauszwängte. Ich musste grinsen, weiß nicht warum, er tat es ebenso und sah mich die gesamte Zeit lang unverwandt an. Eigentlich ist er gar nicht mein Typ, denn ich stehe doch auf dunkel, aber dieser hat nicht nur ein süßes Lächeln, sondern zusätzlich schöne Augen. Darum beschloss ich, mich näher mit ihm zu befassen. Ha, war wohl nix, denn kaum war ich von draußen wieder drinnen, hatte er seine Hände bei einem etwas aufgemachten Girl. Ich dachte mir etwas dabei und ging tanzen.
Scheinbar war mein Verdacht unbegründet. Immer wieder sah ich zu Champion, der andauernd zu mir sah. Wir mussten ständig grinsen, aber je mehr er grinste, und umso mehr er seine Freunde auf mich aufmerksam machte, umso verarschter fühlte ich mich. Darum zog ich Lisa um viertel nach eins auf die Tanzfläche. Champion setzte sich (um mich besser sehen zu können?) auf einen Tisch. Ich beherrschte mich und sah nur viermal zu ihm hin. Beim ersten Mal hatten wir beide grinsen müssen, beim zweiten Mal guckte er nicht, beim dritten Mal sah ich nur seine Augen lachen und beim vierten Mal ist er aufgestanden und gegangen. Zehn Minuten später sind Lisa, Nicole und ich gefahren.
Tagelang verbannte ich ihn aus meinen Gedanken und hatte ihn als Discoflirt abgeschrieben, doch als ich in einer Freistunde in die Stadt ging, kam er aus dem Johanniterhaus heraus. Wir stutzten und er fand als erster seine Sprache wieder: „Oh, hallöchen!“ war jedoch alles, was er herausbringen konnte. Und welche Eloquenz konnte ich mir zurschreiben?: Ein „Ach nee“ brachte ich über die Lippen. Doch den Rest des Tages jubilierte ich: „Er hat mich erkannt! Er hat mich erkannt!“
Übernächster Abend: Tatsächlich war er wieder im Nachtsalon. Nicht besonders unauffällig wurde ich von Kristina und Claudia zu ihm geschoben und er von seinen Freunden zu mir. Einmal standen wir direkt nebeneinander, aber mit den Rücken gegeneinander, und keiner traute sich den ersten Schritt zu machen. Seine Freunde glaubten später bemerkt zu haben, dass ich mein Gesicht verzog, als eine Anke aus unserer Schule, eine Stufe über mir, ihn mit einem Küsschen begrüßte. Jedenfalls sah er danach häufiger zu mir, eigentlich ständig. Claudia und Kristina forderten die ganze Zeit: „Geh schon! Rede du!“ aber das konnte ich nicht, weil ich nicht wusste, wie ich das Gespräch anfangen sollte.
Um kurz nach elf öffneten sich dann aber wie von selbst unsere Freundesgruppen und wir standen nebeneinander … Zumindest hatte es auf mich so gewirkt, als ob sich die Gruppen von selbst geöffnet hätten. In Wirklichkeit hatte Champion Kristina und Claudia ziemlich heftig beiseite geschoben, weil er nun endlich Mut gefasst hatte.
Ich bin mir nicht sicher, wie wir das Gespräch begannen, doch ich weiß, dass er es begann und dass es einige Minuten dauerte, ehe er nach meinem Namen fragte. Von Beginn an waren wir ehrlich und offen zueinander, so sagten wir gegenseitig, dass es der erste Augenkontakt war, der uns füreinander interessant gemacht hatte: „Und als du dann am Johanniterhaus vorbeigegangen bist, als ich rauskam, da fand ich keine Worte und hätte mir in den Arsch beißen können. Letzte Woche Freitag bin ich übrigens noch einmal zurückgekommen, habe nur meine Freunde nach Hause gefahren. Ich hatte den festen Vorsatz, dich anzusprechen, aber du warst schon weg.“
Vorsichtig kam er mir näher und legte seinen Arm um mich. Im Laufe des Gespräches lächelte ich öfters, denn wir verstanden uns wirklich gut. Bei einem Lächeln meinte er: „Bitte, höre auf damit.“ – „Womit?“ – „Mit diesem Lächeln, davon bekomme ich feuchte Hände und zittrige Beine.“
Er machte mir viele weitere Komplimente und als ich ihm sagte, dass ich nur Pech mit Jungen gehabt hatte, sah er mich verständnislos an. Er war nicht drängend und erst kurz vor Ende wollte er mich küssen. Ich redete gerade, hielt plötzlich inne, unsere Nasen berührten sich und unsere Münder fanden sich. Der Kuss war sehr zart und mich überraschte die Weichheit der Zunge, aber ich bat ihn dennoch, es zu verschieben, weil ich mich umgeben von Leuten ziemlich unsicher fühlte.
Er rief am nächsten Tag an, und wir verabredeten, dass er mich vielleicht beim Babysitten besuchen kommen würde. Es war anfangs etwas beklemmend, bis er sich erkundigte, was man denn dort so machen könnte, und wir uns in den Keller zum Billardspielen verkrümelten. Augenblicklich wurde es lockerer und er tröstete mich, weil ich andauernd verlor. Diese anderthalb Stunden in dem Keller waren die schönsten, die ich mit ihm verbringen sollte. Nun, es war auch schön bei ihm im Arm auf der Couch zu sitzen, aber der Billardkeller hatte seine eigene Atmosphäre, und seine tröstenden Arme ebenfalls.
Um nicht weiter auszuschweifen: So schön es schien: Die Sache verlief total im Sande. Und zwar, weil ich am Ende dieses Abends mir so seltsam beim Kuss vorkam, dass er sich von mir veralbert fühlte, und ohne sich umzudrehen ging. Am liebsten hätte ich ihn zurückgerufen, aber ich traute mich nicht, und als ich seine letzten Worte hörte, war mir klar, dass wohl alles vorbei war: „Man sieht sich.“
Und so endete es, indem ich mir nachher ziemlich verarscht vorkam. Nein, nicht richtig verarscht, das ist das falsche Wort, denn ich bin der Meinung, dass er wirklich etwas an mir fand, aber da alles so schnell vorbei war und er mir keine Chance ließ, halt doch irgendwie schon … Immerhin war mein Kuss mit ihm mein erster überhaupt gewesen.