Vorstellung einer Trennung

Erst als er die letzte Umzugskiste aus unserer Wohnung schleppt und in das wartende Taxi stellt, begreife ich wirklich, dass unsere Leben sich nun trennen. Ich sehe mich in dem Zimmer um, das unser Schlafzimmer gewesen ist, und habe Bilder von ihm und mir auf dem großen Bett vor Augen; das Bett, das ich ihm eigentlich zur Hälfte bezahlen müsste, weil es eine gemeinsame Anschaffung gewesen ist. Dass ich es nun einfach so behalten kann, liegt daran, dass die Andere – natürlich – ein Bett hat. Ein Bett und meinen Mann. Und damit ist überhaupt nichts „einfach so“ an der Tatsache, dass das Bett ab heute mir allein gehört.

Es wäre falsch zu behaupten, ich wäre aus allen Wolken gefallen. Zumindest von rosaroten Wolken habe ich nicht mehr fallen können. Nach sechs Jahren Beziehung ist die Verliebtheit abgeebbt. Aber ich war der Meinung, dass genug Liebe für ein ganzes Leben da gewesen ist. Macht das Sinn? Ich weiß es nicht. Sind wir Frauen manchmal pragmatischer in Liebesdingen und geben uns leichter zufrieden, wenn viele Dinge gut, obgleich nur wenige perfekt sind? Und wäre das schlimm?

Was ist aus seinen Worten vom letzten Jahr geworden, als wir am Strand lagen und er mir zuflüsterte, dass er das für immer mit mir machen könnte – ans Meer fahren und den Tag vergammeln? Und als er sagte, dass wir nicht heiraten bräuchten, um zu wissen, dass wir zusammen gehören; aber dass er mich heiraten würde, wenn ich es wollen würde? Ich schüttelte lächelnd den Kopf, denn ich glaubte, dass das, was wir uns am Strand sagten, auch ohne offizielles Gelöbnis ein Schwur war.

Er steigt in das Taxi ein und mein Blick klebt an seinem Rücken. Erwarte ich, dass er sich noch einmal zu mir umsieht? Vermutlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er von uns … Es gibt kein Uns. Er sieht sich nicht um.

Ich möchte nicht mehr weinen, ich möchte nicht schreien, nicht brüllen, nicht wütend sein und nicht traurig. Ich wünsche mir, nichts mehr zu empfinden, vor allem nicht die Leere und die drängende Frage nach dem Danach. Ich bin 28 Jahre alt und die Zukunft, so wie ich sie mir vorgestellt habe, ist zerbrochen. Ein riesengroßer Scherbenhaufen liegt vor mir und ich habe das Gefühl, als würde mich hier nichts halten. Nicht meine Freunde, nicht meine Familie, nicht mein Job. Nichts. Durch diesen einen Menschen, der mir fehlen wird, scheint alles andere nahezu bedeutungslos. Wie soll ich hier glücklich werden, wo ich glücklich war? Und wenn ich ihm und der Anderen über den Weg laufe, was ist dann?! Was ist dann?

25 Gedanken zu “Vorstellung einer Trennung

  1. „Sind wir Frauen manchmal pragmatischer in Liebesdingen und geben uns leichter zufrieden, wenn viele Dinge gut, obgleich nur wenige perfekt sind? Und wäre das schlimm?“
    Darüber habe ich mir auch schon oft Gedanken gemacht und mich das Gleiche gefragt. Ich denke, dass wir das tatsächlich tun, aber dadurch trotzdem glücklich werden können. Wir treffen eben eine Entscheidung. Das ist nicht schlimm, ich halte das für eine mutige Einstellung. Die uns manchmal aber leider solche Momente wie diesen beschert, dass er den Mut nicht hat.
    Liebe Grüße
    KaroNoel

  2. Seufz… Ich hab es auch durch. So und ähnlich. Man wird wieder glücklich, aber nicht mehr „so“ und „dort“, zumindest nicht ohne größere Veränderungen, wenn´s sein muss, auch räumlich. Manchmal hilft nichts anderes.

    Ich wünsche Dir viel Kraft.

    Ninchen

    1. Das ist lieb, aber diese Geschichte ist nicht autobiographisch… Aber es ist gut zu wissen, dass du deine Trennung nun nach einiger Zeit offenbar abgeschlossen hast! (Wenn ich es richtig interpretiere…)

  3. Sind wir Frauen manchmal pragmatischer in Liebesdingen und geben uns leichter zufrieden, wenn viele Dinge gut, obgleich nur wenige perfekt sind? – Weiß nicht, mir ging es letztes Jahr so ähnlich. Meine Beziehung war nicht romantisch, dafür aber pragmatisch, gab mir Sicherheit und die Hoffnung auf Familie. In dieser Zeit verliebte ich mich neu in … ! Ich genoß beide Beziehungen parallel, einmal die pragmatische und an der Arbeit die romantische Form, wegen derer ich meine Sicherheit zu Hause aber nicht aufgeben wollte. Dennoch litt die pragmatische Beziehung unter der romantisch-leidenschaftlichen, so dass wir uns häufiger stritten, weil ich unzufriedener war – Ich wusste, wie es schöner sein kann. Dann trennten wir uns. Liebe Grüße

    1. Aber in dieser Geschichte geht es ja schon darum, dass die Frau glaubt, es sei genug Liebe für ein ganzes Leben da, nur eben nicht mehr das kurzfristige Himmelhochjauchzendgefühl des Verliebtseins.
      Generell glaube ich, dass komplett pragmatische Beziehungen (nach dem Motto: der Typ hat Job, genug Geld und wird vermutlich treu bleiben) nichts bringen. Aber dieses romantische Heiteitei hält nun einmal nur sehr selten für immer an und da muss man dann eben einfach die Entscheidung treffen, dass man trotzdem bei der Person bleibt, weil es einen die meiste Zeit glücklich machen wird. Und dann ist man pragmatisch im Sinne der Figur aus der Geschichte. (Die nicht biographisch ist.)

      1. Ja, vielleicht eher so. Also eine Beziehung auf reinem Pragmatismus ist Quatsch, zumindest für mich, die nicht käuflich ist (zumindest nicht zu diesem Preis…), aber wenn man merkt, mit dem stimmt es auf einer harmonischen Ebene und das könnte auch noch in Jahren so sein, dann gibt man sich vielleicht auch dann noch zufrieden, wenn es nicht mehr wummert und klimpert im Herzen. Aber dann muss man auch konsequent/pragmatisch sein und sich nicht nach Wummern und Klimpern umsehen …

      2. Nee… Nicht die Paare entscheiden sich gegen immerdauerndes Verliebtsein. Es gibt einfach nicht immerdauerndes Verliebtsein. Wenigstens glaube ich das nicht. Hätte die Natur gewollt, dass wir die ganze Zeit verliebt sind, nur an den einen denken, bei der Arbeit/Kinderversorgung träumen und ne rosarote Brille tragen? Glaub ich nicht. Wenn einer pragmatisch ist, dann die Natur. Die lässt zu, dass wir uns verlieben, damit wir uns vermehren wollen. Und wenn wir uns vermehrt haben, müssen wir uns um Kinder kümmern und haben keine Zeit für Verliebtsein. Liebe, ja, dafür kann man sich entscheiden, weil das auf Vertrauen, Respekt, Zuneigung, beruht. Verliebtsein, nein, dafür nicht.

      3. Ein Psychologe sagte mal, dass der Zustand des Verliebtseins dem einer Psychose gleich kommt. Das kann schon sein. Ich glaube auch nicht, dass es das ewige Verliebtsein gibt und dass die Anfänge dazu dienen, sich zu vermehren und man deshalb verliebt-leichtsinnig ist.
        Aber ich glaube an langanhaltende Nähe zu einem Menschen – einem besonderen Menschen, dessen Beziehung nicht auf Fortpflanzung beruht.

      4. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es ununterbrochenes Verliebtsein nicht gibt. Gefühle in langjährigem Miteinander verlaufen eher in Wellen. Und immer wieder kommt auch das Gefühl des wahnsinnigen Verliebtseins wieder an die Oberfläche, auch mit Kindern, Alltagssorgen und finanziellen Problemen. Jedenfalls erlebe ich es so – seit vielen Jahren.

  4. Ich glaube, dass der ganze Trott, in den wir uns zwängen, den wir Alltag nennen, der erste Fehler ist.
    Ich glaube, Liebe muss brennen, muss weh tun, will umkämpft sein, will natürlich auch Momente der Ruhe und des Friedens und der Gewissheit.
    Aber wo kein Kampf, da auch kein Frieden. Weil alles zu einer Sauce vermengt ist, weil das Gewöhnliche den Wahnsinn der Liebe verdrängt hat.
    Ich will beides: Gewissheit und den Kampf darum. Im stetigen Wechsel.

    1. Aber dann ist Liebe immer dazu verdammt zu sterben, weil wir stets irgendwann in den Alltagstrott hineinkommen. Für jeden ist Liebe individuell… Und ich hatte durchaus die umkämpfte Liebe schon, die so viel tiefer und umfassender erschien als die, die sich langsam in meinem Inneren festsetzte und zur Gewissheit wurde. Aber diese zweitere ist die, von der ich glaube, dass ich mein Leben damit verbringen möchte.

  5. Grundsätzlich sind Texte immer gut. Wir sind doch alle begnadete SchreiberInnen. Die Frage ist nur, ob wir es noch besser können. Oder wollen. Ein Text besteht aus Worten, die eine Momentaufnahme sind. Stirbt unser Held, so sind wir die Götter, die ihn eine Seite später wieder zum Leben erwecken können. Und was wir heute gut fanden, ist morgen vielleicht noch besser möglich. Wir können voll Lust korrigieren, Wörter verhauen und andere nutzen. Lachend den eigenen Fehlern ins Gesicht blicken und einen Bestseller daraus machen.

    Nun ist es immer schwer einen fremden Text, ein Fragment zu analysieren. Grundsätzlich hast du eine durchaus nachvollziehbare Stimmung geschaffen. Mir persönlich ist der Text zu düster, zu negativ. Das zieht sich wie ein roter Faden durch viele deiner Geschichten. Eine Grundschwere und Melancholie. Soll das so sein?

    Die vielen „nicht“ im letzten Abschnitt lassen mich stolpern. Die Anonymität der Charaktere. Wer sind sie, haben sie Namen? „Würde, wurde“, ist Passiv. Wollen wir passiv als AutorInnen sein? Oder AKTIV einen Text gestalten, ihn dynamisch nach vorn treiben?

    Das sind nur Kleinigkeiten, die mir ins feuchte Auge springen. Kein Angriff, keine persönliche Kritik. Du hattest gefragt. 🙂

    1. 🙂 Ich werde mir deine Anmerkungen durch den Kopf gehen lassen und jetzt gerade nur auf die Grundschwere und Melancholie antworten: Ja, die ist da. Ob es so sein soll: Das weiß ich nicht. Als ich eben meine Texte zusammenfügte, fiel mir auf, dass viele unter dem Thema Liebe in eine ähnliche Richtung gehen. Weil ich wohl jemand bin, der eher über etwas schreibt oder eher von etwas beeinflusst wird, was sich auf die Stimmung, auf die Gefühle gelegt und sie niedergedrückt hat.

      Es gibt durchaus positive Texte, aber die mit der Vergangenheit verbundenen sind es eher nicht. Ich schaue mal durch und veröffentliche dann noch einmal einen von diesen. 🙂

  6. Eine Freundin schickte mir einen Link und als ich deinen Text las, dachte ich, der könnte von mir sein… so dachte meine Freundin auch. Vor einem Monat war bei meiner Beziehung auch fast soweit gekommen. Meine Gedanken, die ich damals hatte, ähneln sich mit den deinen. Irgendwie war ich geschockt, traurig, aber gleichzeitig etwas erleichtert, dass auch andere so denken. Heute bin ich nicht wieder voll glücklich, aber weiterhin mit meinem Freund zusammen. Diesen großen Schmerz, den er mir zugefügt hat, werde ich noch lange Zeit verdauen müssen, aber gerade dieser große Krach hat uns geholfen, wieder zusammen zu finden.

    1. Hi!
      Ich finde interessant, was du in dem Text liest, weil, nachdem ich deine Einträge las, sie gar nicht wirklich zu dem Text hier zu passen scheinen.
      Erst einmal muss ich sagen, dass mein Text tatsächlich Fiktion ist, ein bisschen habe ich mir aus einer alten Beziehung genommen, aber tatsächlich bin ich nie betrogen worden, so wie die Frau hier in der Geschichte.
      Aber das mit dem „nicht voll glücklich“ kenne ich dennoch. (Die Geschichte dazu schrieb ich hier: https://gescheuchteigel.wordpress.com/selbstgeschriebenes/der-andere/ , aber Vorsicht, der Text ist sehr lang 😉 )
      Bei deinem Blog klingt es eher so, als wärst du dir der Beziehung, der Liebe unsicher, als seist du die Person, die rauswollte, weil sie nicht für „Liebe gemacht“ ist. Im Kommentar schreibst du aber, dein Freund hat die Schmerz zugefügt. Meine Erfahrung ist, dass Beziehungen große Schmerzen nicht verdauen können, weil der Bruch immer wieder aufreißt. (Aber alle Menschen sind anders, und deine Liebe kann mich da eines besseren belehren.)
      Lieber Gruß!

      1. Also bei mir ist auch viel Fiktion dabei, das muss ich deutlich sagen. Ich verdrehe Sachen, nehme mir ältere Texte von früheren Beziehungen,… Ich bin ein sehr romantischer Typ, da passte eben der Vorschlag einer „offenen Beziehung“ nicht in mein Leben. Und eben auch der Gedanke, dass ich ihm nicht genüge. Doch nachdem ich fast die Trennung vollzogen hatte, verstand er wohl, wie wichtig ich ihm bin und dass ich ihm quasi „genüge“. Aber nun freue ich mich auf weiteren gedankenvolle Posts von dir und freue mich, wenn ich ich dich auch auf meiner Seite begrüßen darf. Viele Grüße zurück!

  7. Rein gefühlsmäßig klänge für mich “ Die Zukunft, wie ich sie mir vorgestellt habe, gibt es nicht mehr“, stärker. „Ich möchte nicht“ würde ich durch „Ich will nicht“ ersetzen, aber das ist so ein persönliches Ding. Der Text gefällt mir sehr gut. Ich finde auch die Anonymität gut, weil sich viele darin wiederfinden können.

    1. Dann passt der Scherbenhaufen natürlich nicht mehr. Aber ja, das „will“ wäre stärker.
      Ich weiß nicht, Verliebtheit habe ich schon lang nicht gefühlt. Es ist eher tiefer. Nicht so flattrig. Aber nach Aussagen anderer wirken wir verliebt. Vielleicht, weil wir uns einander noch so zuwenden, wie es vielen Pärchen durch ihren Alltag u.a. mit Kindern nicht gelingt

  8. Hmm….
    nach nochmaligem Lesen ist mir das Alter aufgefallen… 28.. und dann die Dauer … 6 Jahre..
    Schön gesoffen, beinahe 7 Jahre…
    Da fällt mir dann ein, dass das Leben in 7er Schritten abläuft… Alle sieben Jahre etwas neues…
    Selbst die Volljährigkeit war früher bei 21 = 3 x 7 .. Kirchliche Ereignisse, Taufe, Kommunion, Firmung (und wie das alles heißt) in der Regel in 7er Schritten. Das verflixte 7te Jahr.. auch keine unbekannte Redensart…
    Insofern ist das zwar alles betrüblich, aber aus der Ferne macht es ein Stück weit Sinn…
    Jeder entwickelt sich weiter und was einst wichtig war ist durch andere, wichtigere Dinge und Gefühle und Bedürfnisse ersetzt worden….
    Das hat etwas beruhigendes, es sind ja nicht nur die schönen, sondern auch die schlechten Dinge, die so vorüber gehen…. oder?

  9. Pingback: Siebenmeilenstiefel – Gescheuchten Igel

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