Wortfriedhof: Monatsnamen

Als ich im Wörterbuch immer wieder auf die alten bzw. parallel mit dem römischen Kalender laufenden „deutscheren“ Monatsnamen stieß, dachte ich meist: „Ach, passt doch eigentlich besser.“ Natürlich fanden dies schon die alten und finden es die neuen Nationalsozialisten ebenso. Wie alle vernünftig und freiheitlich denkenden Menschen verachte ich diese Menschen, die anderen Menschen so viel Tod und Leid brachten (und am liebsten wieder bringen wollen). Aber ich habe auch einen Hass auf sie, weil sie Kultur zerstörten, indem sie sie über alles hoben und instrumentalisierten, und es uns damit manches Mal fast unmöglich machen, stolz auf etwas zu sein oder uns näher damit zu beschäftigen.

Sagt nicht, so sei es nicht mehr. Deutsche Heldensagen? Denkst du an Siegfried, denkst du an das typische arische Bild, das Hitler zeichnete. Wintersonnenwende? Denkst du an Stonehenge, aber auch an Nazis, die christliche Feiertage durch germanische ersetzen woll(t)en. Führer? Denkst du an Hitler, obwohl nur der Reiseleiter gemeint war. Worte wie Rasse, Arier? Volkslieder? Bestimmte Vornamen? Dauerbeflaggung am Haus wie in den USA? Und als ich letztens das Jugendbuch „Braune Erde“ von Daniel Höra las, war mir auch schon mulmig, weil dort die Neunazis die Ware aus dem Supermarkt und die Chemie in Lebensmitteln ablehnten und lieber regionale Produzenten unterstützten bzw. selbst zu Biobauern wurden (= Rückkehr zur „natürlichen“ Ernährungsweise).

Und dann kommt dieses „Es muss ja nicht alles schlecht sein, nur weil es im Nazikopf herumschwirrt“ hervor und irgendein Schüler würde an dieser Stelle sagen „Die Autobahnen waren eine tolle Idee!“ (aber eben nicht von den Nazis) oder Eva Herrmann würde behaupten, die Mutter müsse wieder wie in der NS-Zeit wertgeschätzt werden (- als Gebärmaschine. Wundervoll.). Halt.

Eigentlich wollte ich nur über Monatsnamen schreiben. Und dass ich die alten Monatsnamen gerne mag. Und dass ich nicht verstehe, wie sich die römischen halten konnten – sind sie doch oft viel einfallsloser, haben gar nichts mit unserer Kultur zu tun und sind zudem noch falsch, denn von September bis Dezember sind die Namen nach ihrem Platz im römischen Kalender benannt, der aber gar nicht mit unserer Zählung übereinstimmt:

Januar (vom Beschützer der Stadttore) – Hartung, Eismond

Februar (vom Reinigungsfest Febrae) – Hornung, Schmelzmond

März (vom Kriegsgott Mars) – Lenzing, Lenzmond

April (von „aperire“ – öffnen) – Launing, Ostermond

Mai (von der Göttin Maia) – Winnemond (von Weidemond, nicht Wonne)

Juni (von der Göttin Juno) – Brachet, Brachmond

Juli (von Julius Caesar) – Heuert, Heumond

August (von Kaiser Augustus) – Ernting, Erntemond

September (weil es der 7. Monat war) – Scheidung, Herbstmond

Oktober (der 8. Monat) – Gildhart, Weinmond

November (der 9. Monat) – Nebelung, Wintermond

Dezember (der 10. Monat) – Julmond (Julfest = Fest der Wintersonnenwende)

Ich will ja gar nicht zurück zu den alten Bezeichnungen. Ich bin weder Karl der Große, auf den scheinbar einige der -mond-Bezeichnungen zurückgehen, noch Napoleon, der die bekannten Namen und Zählungen umwerfen wollte. Und erst recht bin ich kein Nazi. Aber vielleicht kann man ab und an (gerade in der Literatur) vermehrt die alten Bezeichnungen einwerfen? Ist doch auch schöner für die Wortgewalt, oder?

13 Gedanken zu “Wortfriedhof: Monatsnamen

  1. Stimmt, passender sind sie, und teilweise auch sehr schön (aber dem Wort „Hartung“ kann ich beim besten Willen klanglich nichts abgewinnen, und „Scheidung“ heißt nun mal auch was anderes, das präsenter ist – insgesamt finde ich die „-mond“-Namen schöner als die „-ung“-Namen). Dennoch werden sie wohl eher in historischer Literatur Verwendung finden, einfach, weil sie nicht so schnell verstanden werden wie die gebräuchlicheren Namen… vielleicht noch in der Poesie?

  2. Danke, daß Sie die alten Namen, noch dazu so fabulös beglitten durch Ihr Bekennen zu Ihnen. Manche verwende ich regelmäßig, ich glaube zumeist in den Clarachroniken. Launing ist doch super, oder Nebelung. Ach, Ihr Wortfriedhof ist ein klangvoller Ort. Ich bin gern hier. Schönstabendgrüße, Ihre Frau Knobloch.

  3. Namen sind Konvention. Abweichungen von der Konvention sind markiert und brauchen eine (implizite/explizite) Begründung. Leider sind viele Dinge heute tatsächlich ein Symbol für NS-Ideologie, da der NS diese Dinge prominent markiert hatte; deren eigentliche Markierung ist überlagert durch deren Gebrauch. Das kann manchmal absurde Züge annehmen: Die Frakturschrift wird landläufig mit dem NS in Verbindung gebracht, obwohl sie ausgerechnet unter dem NS im Jahr 1941 abgeschafft wurde.

    Leider ist hier eine Abweichung von der Konvention deutlich markiert, wie Du selbst feststellst. Ich sehe kaum Möglichkeit, dies produktiv einzusetzen, ohne zumindest einen unangenehmen Beigeschmack zu produzieren, wenn nicht sogar Missverständnisse zu provozieren.

      1. Ich fürchte, man würde dauernd diesen Beigeschmack produzieren. Was Du vorschlägst wäre eine Umcodierung. Dafür war aber die Prägung durch den NS zu groß. Vielleicht aber nicht bei diesem Beispiel hier konkret, da bin ich mir nicht so sicher.
        Es würde mir jedenfalls negativ aufstoßen, wenn ich keine dazugehörige Erklärung/Diskussion hätte. Es müsste dann ständig eine Erklärung mitgeliefert werden, wenn man nicht in den Verdacht geraten wollte, dass man Nazi-Gedankengut oder Anlehnungen daran salonfähig machen möchte. Das wäre wenig zielführend. Außerdem hätte man sehr schnell Freunde von der falschen Seite, mit denen zumindest ich nichts zu tun haben möchte.
        Das scheint mir alles doch sehr viel Aufwand zu sein nur für ein paar Monatsnamen, die wie kaum etwas anderes in der Sprache etabliert sind.

      2. Ich möchte ja keine wirkliche Umbenennung, nur vielleicht den einen oder anderen mal anstelle des eigentlichen erwähnen. Hinsichtlich der Codierung der Nazis gebe ich dir bei vielen Sachen Recht. Die Mondmonatsnamen sind vielleicht nicht ganz so nazifiziert.

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